Erklärung für ungewöhnliche Isotopenmuster

Unter Druck und hoher Temperatur bilden sich im tiefen Ozeanboden Kohlenwasserstoffe, die auch ein wesentlicher Bestandteil von Erdöl und Erdgas sind. Im Guaymas-Becken im Golf von Kalifornien sind Forschende auf Spuren von Kohlenwasserstoffgasen gestoßen, die nicht auf herkömmliche Art und Weise entstanden sind. In ihrer Studie, die das Journal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) jetzt veröffentlicht hat, zeichnen sie einen neuen Bildungsweg der Gase Ethan und Propan, zwei Hauptbestandteile von Erdgas, durch die Reduktion von Essigsäure nach. Das Team, an dem Forschende des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und der University of North Carolina (USA) beteiligt sind, haben die Isotopensignaturen untersucht und in einem Versuchsaufbau im Labor die Kohlenwasserstoffbildung simuliert. Alumnus des HWK Prof. Andreas Teske ist Teil des Teams.

Das bemannte Tauchboot Alvin von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) wird von Bord des Forschungsschiffs ATLANTIS ausgesetzt.

Isotope von Kohlenwasserstoffverbindungen sind wie ein Fingerabdruck. Eindeutig weisen sie auf die Art und Weise hin, wie chemische Verbindungen entstanden sind – das gilt auch für einfache Kohlenwasserstoffe wie Ethan, Propan, Butan und Pentan. Werden Kohlenwasserstoffe verbrannt, entstehen Wasser und Kohlenstoffdioxid, hierbei wird Energie freigesetzt. Kohlenwasserstoffe, und dazu gehören auch Erdöl und Erdgas, werden über lange Zeiträume bei großem Druck und hohen Temperaturen gebildet – dies können Forschende dann durch entsprechende Isotopenmuster aufzeigen.

Während Forschende Proben aus dem Guaymas-Becken untersucht haben, sind sie bei ihren Messungen allerdings auf Isotopenmuster gestoßen, die nicht zu den bekannten Bildungswegen passten. Die Proben wurden mit dem bemannten Tauchboot Alvin auf einer Expedition mit dem Forschungsschiff ATLANTIS genommen, so konnten sie genau lokalisiert und gleichzeitig die Temperatur im Meeresboden gemessen werden. „Im Guaymas-Becken können wir eine Ölbildung wie im Zeitraffer beobachten“, erklärt Co-Autorin Dr. Florence Schubotz vom MARUM. In diesem Becken sammelt sich viel organisches Material und lagert sich als Sediment ab, das sich wiederum durch die hydrothermalen Aktivitäten schnell aufheizt und so Öl bildet – und das vor allem sehr schnell im Vergleich zu den Jahrmillionen, in denen Öl normalerweise durch großen Druck und hohe Temperaturen gebildet wird. Im Gegensatz dazu sorgt die Kombination von geologischer Aktivität am Kontinentalrand und der Menge an sedimentiertem biologischen Material dafür, dass Kohlenwasserstoffe entstehen – das Becken agiert und reagiert wie ein Schnellkochtopf. Aufgrund dieser Besonderheit gilt das Guaymas-Becken Forschenden als Modellregion für einen vergleichsweise jungen Ozeanboden. Das Becken liegt an einem Spreizungsrücken, an dem durch die Bewegung der tektonischen Platten neuer Meeresboden entsteht.

„Diese Daten haben uns überrascht, da wir sie nicht mit bekannten Mechanismen erklären konnten. Wir haben über alternative Erklärungen nachgedacht und überlegt, was dieses System so besonders macht, welche Prozesse im tiefen Untergrund ablaufen und für das ungewöhnliche Isotopenmuster der Kohlenwasserstoffgase in unseren Proben verantwortlich sein könnten“, schildert Erstautorin Dr. Min Song. Dazu haben die Forschenden die Rolle der flüchtigen Fettsäuren untersucht, die im Guaymas-Beckens reichlich vorhanden sind, und führten Simulationsexperimente durch. Zum ersten Mal konnten sie so einen alternativen Weg zeigen, wie die Gase gebildet werden können und vor allem die Isotopensignaturen erklären. Im Labor des MARUM-Forschers Prof. Wolfgang Bach wurden Temperatur und Druck so simuliert, wie sie an Hydrothermalsystemen herrschen. Aus Essigsäure wurde im Labor Ethan und Propan gebildet, und zwar ohne Mikroorganismen.

Diese neue Erklärung für eine alternative Bildung von Kohlenwasserstoffen im Ozeanboden, betont Schubotz, könnte nun auch in anderen geo- und hydrothermal erwärmten Sedimentsystemen überprüft werden. Aus diesem Grund seien die Ergebnisse ein wichtiger Beitrag zur Forschung am MARUM. An der Studie sind Kolleginnen und Kollegen von Min Song im Kontext des Exzellenzclusters „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“ sowie mit Prof. Andreas Teske von der University of North Carolina auch internationale Partner beteiligt. Prof. Teske war bereits mehrfach Fellow am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst. „Unsere Ergebnisse liefern eine schlüssige Erklärung für ungewöhnliche Isotopenmuster in Kohlenwasserstoffgasen“, so Co-Clustersprecher und Studienleiter Prof. Kai-Uwe Hinrichs. Die Kohlenwasserstoffe werden hier nicht aus längeren Verbindungen in kleinere Bestandteile aufgespalten, sondern aus kleineren Bausteinen aufgebaut. An dieser Bildungsweise sind keine Mikroorganismen beteiligt, weswegen sie zum den abiotischen Bildungswegen zählt. Die Ergebnisse werden künftig dazu beitragen, die Prozesse im Ozeanboden und insbesondere Stoffflüsse besser zu verstehen.

Originalpublikation

Min Song, Florence Schubotz, Matthias Y. Kellermann, Christian T. Hansen, Wolfgang Bach, Andreas P. Teske, Kai-Uwe Hinrichs: Formation of ethane and propane via abiotic reductive conversion of acetic acid in hydrothermal sediments. PNAS 2021. DOI: tbc

Kontakt MARUM

Dr. Min Song
Organische Geochemie
E-Mail: msong@uni-bremen.de

Prof. Dr. Kau-Uwe Hinrichs
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen
Organische Geochemie
Telefon: 0421 218 65700
E-Mail: khinrichs@marum.de

Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.

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