Öffentlicher Vortrag: "Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung"

Prof. Dr. Hans G. Kippenberg (Bremen),

Zeit: 08. Juni 2015, 19:30 Uhr,

Ort: Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK), Lehmkuhlenbusch 4,

Eine Welle religiöser Gewalt verunsichert seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhundert die Welt. Die Bürger Europas sind überwiegend der Ansicht, Religionen seien die Ursache von Gewalt. Schon im Blick auf die Religionskriege des 17. Jahrhunderts wurde diese Auffassung vertreten: von Thomas Hobbes bis Carl Schmitt. Doch gab es  von Beginn an auch Philosophen, die in Religionen ein soziales Band sahen, ohne dass Staaten ihren inneren Zusammenhalt verlieren würden: von Rousseau und Kant bis Habermas.
Neuerdings wurde diese Ambivalenz mit dem Monotheismus in Verbindung gebracht. Aber kann er die Erklärung für den Zusammenhang von Religion und Gewalt liefern?  

Der öffentliche Vortrag behandelt den Krieg, den Usama bin Laden 1998 den USA erklärt und mit der Politik der USA im Nahen Osten begründet hatte. Die islamischen Krieger deuteten die Situation ihrer Religionsgemeinschaft jedoch nicht säkular, sondern religiös. Mit dieser Deutung waren Handlungsmodelle verbunden, die sich an der Frühgeschichte des Islams orientierten. Der Angriff (ghazwa) auf die USA am 11. September 2001 wurde entsprechend ausgeführt.    

Der Nahostkonflikt ist noch von anderen Spielarten religiöser Situationsdeutungen  geprägt worden. Seit dem Sechstagekrieg 1967 wurde aus einem Konflikt zwischen dem Staat Israel und seinen arabischen Nachbarn sukzessive ein Konflikt zwischen religiösen Gemeinschaften. Die Besiedlung der besetzten Gebieten durch religiöse Siedler, der Eifer palästinensischer Muslime für ganz Palästina als islamischem Stiftungsland sowie die Unterstützung  amerikanischer Protestanten für die Wiederherstellung Israels im biblischen Land, haben den Konflikt und die Gewalt, mit der er ausgetragen wird, grundlegend verändert.
Die Ansicht, es handele sich bei den islamischen Gewalttätern um Terroristen, die grundlos morden und mit denen kein Vertrag geschlossen werden kann, ist eine weitere Quelle von Gewalt geworden.

Angesichts dieser Vorgänge wird man nicht mehr annehmen können, dass das öffentliche Leben moderner Gesellschaften säkular ist und man über Politik sprechen kann, als ob Religion nicht existiere (und umgekehrt).

Der Vortrag endet mit Überlegungen, wie ein angemesseneres Modell von Öffentlichkeit aussehen müsste.

Hans  G. Kippenberg,

Professor für Religionswissenschaft (Geschichte und Theorie der Religionen), lehrte von 1978 bis 1989 an der Universität Groningen (NL), von 1989 bis 2004 an der Universität Bremen und von 2008 bis 2015 an der Jacobs University Bremen.

Schwerpunkte seiner Arbeit sind u.a.

  • vorderasiatische und europäische Religionsgeschichte (Die vorderasiatische Erlösungsreligionen in ihrem Zusammenhang mit der antiken Stadtherrschaft. Frankfurt: Suhrkamp 1991);
  • Geschichte der Religionswissenschaft (Die Entdeckung der Religionsgeschichte. Religionswissenschaft und Moderne. München: Beck 1997);
  • die Religionssoziologie Max Webers (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Band 2. Religiöse Gemeinschaften. Hg. von Hans G. Kippenberg MWG I/22-2. Tübingen: Mohr Siebeck 2001)
  • sowie Religiöse Gewalt (Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung. München: C.H.Beck 2008; Bundeszentrale für Politische Bildung 2008).

Zusammen mit Kocku von Stuckrad hat Prof. Kippenberg 2003 eine Einführung in die Religionswissenschaft. Gegenstände und Begriffe. (München: C.H. Beck) veröffentlicht.

 

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