Die Kulturredaktion des NordwestRadios und das Hanse-Wissenschaftskolleg haben im Frühjahr 1999 ein gemeinsames Projekt namens "Wissenschaft im Radio" ins Leben gerufen. Beteiligt ist inzwischen auch die Delmenhorster Universitätsgesellschaft. Im Rahmen dieses Projekts finden im Vortragssaal des Hanse-Wissenschaftskollegs in Delmenhorst öffentliche Vorträge prominenter Wissenschaftler statt, die aufgezeichnet und zu einer Radiosendung umgestaltet wenige Wochen später im NordwestRadio ausgestrahlt werden.
Im Frühjahr und Sommer 2008 steht das Thema "Modernes Leben" im Mittelpunkt von Wissenschaft im Radio. Gemeint sind mit diesem Thema aktuelle Tendenzen bezüglich der Formen, in denen wir Menschen des 21. Jahrhunderts heute und in naher Zukunft (zusammen-)leben werden. Dies schließt das urbane Umfeld ebenso ein wie Verhaltensweisen und Gefühle von Distanz und Intimität sowie – aus ethnologischer Perspektive – der Kontrast zwischen den Lebensstilen und -erfahrungen in der Ersten und der Dritten Welt.
Autor des dritten Hanse-Vortrags der Reihe "Modernes Leben" ist:
Prof. Dr. Christoph Antweiler, Bonn
Er spricht zu dem Thema
"Falsche Modernität? Großstädte in Asien"
Ort des öffentlichen Vortrags:
Hanse-Wissenschaftskolleg,
Lehmkuhlenbusch 4, 27753 Delmenhorst
Zeit: Montag, 9. Juni 2008, um 20:00 Uhr
Radiosendung des Vortrags im NordwestRadio am Sonntag, 6. Juli 2008,
19:05 bis 20:00 Uhr (UKW 88.3/95.4 MHz)
Das Thema:
Der Titel "Falsche Modernität?" ist ebenso als Frage wie als Provokation gemeint. Provoziert werden sollen wir durch den Vortrag, darüber nachzudenken, was wir eigentlich für "modern" und ein "modernes Leben" halten. Denn es gibt nicht die eine, "richtige" Moderne, womöglich unsere europäische Moderne, sondern es gibt deren viele: asiatische, amerikanische, europäische Modernen. Diese Modernen verweisen auf ein unabgeschlossenes Projekt, das scheitern kann, und keine fertige Realität.
Will man die Modernität oder Unmodernität einer Stadt und ihrer Kultur untersuchen, bildet Asien ein ganz besonderes, hochspannendes Laboratorium der Möglichkeiten – und der Grenzen. In Asien, diesem riesigen und so vielgestaltigen Kontinent, lebt die Hälfte der Menschheit, wiederum die Hälfte davon in Städten. Das heißt für Asien wie für uns: Es gilt die Gleichung Modernes Leben ist urbanes Leben, und die gesamte Welt ist im Begriff, Stadt zu werden. Anders gesagt: Die Stadt ist die weltweite Gebrauchsanweisung zur Organisation menschlichen Zusammenlebens in der Moderne. Wer also die heutige Welt verstehen will, muss die Stadt verstehen.
Ostasien, Südostasien und Südasien sind derzeit die drei Weltregionen mit der wohl größten sozialen und wirtschaftlichen Dynamik. Hier wird über ein Stück Zukunft der gesamten Welt entschieden, ökologisch, ökonomisch, demographisch, ideologisch, lebenspraktisch. Die Städte dieser Regionen sind so alt oder älter als viele europäische Städte, die – anders als in Afrika und Ozeanien – immer Teile komplexer Großgesellschaften waren. Zu welchen Trends das führt, zeigt der Vortrag an zwei höchst unterschiedlichen aktuellen Beispielen; der ehemaligen Kolonialstadt Makassar in Ostindonesien und an Shanghai, in den 1920er Jahren der Welt größte Spielhölle und gigantisches Bordell, die heute wohl aufregendste Großstadt der Welt mit mehr als 15 Millionen Einwohnern, in der man jedes Jahr einen neuen Stadtplan benötigt.
Die Beschäftigung mit Asiens Metropolen kann uns einen Spiegel unserer eigenen Situation vorhalten. Sie kann uns einiges darüber lehren, in was für Städten wir leben wollen (und können) und welche Moderne wir eigentlich wollen. Wie sieht die richtige, die menschengemäße Urbanität aus?
Vita:
Christoph Antweiler, Jahrgang 1956, ab 1975 Studium der Geologie-Paläontologie in Köln, ab 1976 auch der Ethnologie mit Feldpraktika in Nordghana, in der Westtürkei, an der Schwarzmeerküste und bei den Tamang im Vorderen Himalaya (Ostnepal); 1983 Diplomprüfung im Fach Geologie-Paläontologie, 1987 Promotion im Fach Ethnologie; 1988 bis 1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Völkerkunde der Universität zu Köln; 1991/92 stationäre Feldforschung in Ujung Pandang in Süd-Sulawesi (Indonesien); 1991 bis 1994 Habilitationsstipendium der Fritz Thyssen Stiftung; 1996 Habilitation; 1996 bis 2008 Professor für Ethnologie an der Universität Trier; seit 2008 Professor für Südostasienwissenschaft an der Universität Bonn. Zu seinen akademischen Funktionen zählen unter anderem die Position des Vorsitzenden des Zentrums für Ostasien- und Pazifikforschung (ZOPS) und seit 2006 des Sprechers des Exzellenzclusters "Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke: Historische Forschungen und Gegenwartsanalysen zu Chancen und Risiken einer sozialen Beziehungsform".
Neuere Buchpublikationen:
Antweiler, Christoph (2000): Urbane Rationalität. Eine stadtethnologische Studie zu Ujung Pandang (Makassar), Indonesien, Berlin: Dietrich Reimer
Antweiler, Christoph (2003): Ethnologie lesen. Ein Führer durch den Bücher-Dschungel, Münster, Hamburg, Berlin, London: Lit Verlag, dritte, wesentlich erweiterte Auflage, mit CD-ROM
Antweiler, Christoph (2007): Was ist den Menschen gemeinsam? Über Kultur und Kulturen, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Antweiler, Christoph (2007): Grundpositionen interkultureller Ethnologie; Nordhausen: Verlag Traugott Bautz
Antweiler, Christoph und Peter M. Hejl (Gastherausgeber) (2008): "Transcultural Universals in Cooperation and Conflict", in Human Evolution, special issue, im Erscheinen
Weitere Auskünfte bei:
NordwestRadio, Kulturredaktion, Dr. Thomas Kleinspehn, 28323 Bremen,
Telefon: 0421 246-1447, E-Mail: kleinspehn@t-online.de
Internet: www.radiobremen.de
Oder:
Hanse-Wissenschaftskolleg, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
Uwe Opolka, Lehmkuhlenbusch 4, 27753 Delmenhorst,
Telefon: 04221 9160-109, E-Mail: uopolka@h-w-k.de
Internet: www.h-w-k.de