Die Anpassung des Gehirns an seine Umwelt

Internationale Tagung im Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK), Delmenhorst, 4. bis 7. September 2008

Im Laufe der Evolution hat das menschliche Gehirn – wie die Gehirne anderer Lebewesen auch – zahlreiche Strategien entwickelt, sich unablässig an eine sich manchmal rasch verändernde Umwelt anzupassen. Diese Anpassungsprozesse vollziehen sich in sehr unterschiedlichen Zeitfenstern, die Sekunden, Stunden, Wochen, Jahre oder viele Generationen umfassen können. Ein sehr kurzfristiger Adaptationsvorgang findet beispielsweise statt, wenn wir eine bestimmte Person wiedererkennen, die wir zuvor nur ein einziges Mal im Zwielicht gesehen hatten, aber jetzt bei voller Beleuchtung und aus einem ganz anderen Sehwinkel dennoch sicher zu identifizieren vermögen. Derartige hochkomplexe Anpassungsleistungen vollbringen wir tagtäglich ungezählte Male und anscheinend ohne jede Anstrengung. Näheres Nachdenken lehrt jedoch, dass jede derartige Leistung neben biologischen Anpassungen an die Umwelt auch eine Fülle von im Verlauf eines individuellen Lebens gemachten Erfahrungen zur Voraussetzung hat.
Solche Anpassungsleistungen des Gehirns an seine Umwelt in kurz- und mittelfristigen Zeiträumen sind wissenschaftlich keineswegs ganz verstanden und stehen daher im Zentrum der Tagung im HWK. Neben der Reizverarbeitung in den Sinnessystemen, vor allem dem Sehsystem, werden dort auch Fragen zur Sprache kommen wie die nach der Rolle von Aufmerksamkeit und Erwartungen bei Veränderungen in unserem Gehirn. Theoretisch und empirisch arbeitende Hirnforscher werden Methodenfragen der Bildgebung ebenso erörtern wie die Frage, wie sich solche Adaptationsprozesse auf dem Computer modellieren lassen.
Die Tagung steht in einem umfassenden Zusammenhang, nämlich dem Aufbau der "Bernstein-Gruppe für Computational Neuroscience" an der Universität Bremen. Der Name "Computational Neuroscience" bezeichnet eine neue Disziplin, die davon ausgeht, dass eine zufriedenstellende Erklärung von Denken und Verhalten letztendlich nur in einer der Physik verwandten mathematischen Sprache möglich sein wird. Die nach dem Arzt und Physiologen Julius Bernstein (1839 bis 1917) benannten Forschergruppen bilden ein bundesweites Netzwerk, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird mit dem Ziel, diesen Zweig der Neurowissenschaften in den deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu verankern.
In diesem Rahmen steht auch die Tagung im HWK. Ihre Organisatoren sind Prof. Dr. Klaus Pawelzik und Dr. Udo Ernst vom Institut für Theoretische Physik an der Universität Bremen. Die Konferenzsprache ist Englisch. Die rund 40 Teilnehmer kommen aus Deutschland, den Vereinigten Staaten, Großbritannien, den Niederlanden, Israel, der Schweiz, Frankreich und Finnland. Die Finanzierung erfolgt durch das HWK und die erwähnte Bernstein-Gruppe an der Universität Bremen.

zurück