Was unser Gang verbirgt: Die Zukunft der Hirnstrommessung am Hanse-Wissenschaftskolleg

Den Begriff „Hirnstrommessung“ kennen viele, meist unter dem besser bekannten Kürzel EEG. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gehört die Elektroenzephalographie zum Inventar der Medizin und wird zur Messung der elektrischen Hirnaktivität, zum Beispiel in Forschung und Medizin, eingesetzt. Bisher konnten Untersuchungen jedoch nur in völliger Ruhe durchgeführt werden, denn Bewegung verfälscht das Signal. Das ändert sich nun. Ein viel beachteter Workshop am HWK befasst sich mit der Untersuchung des Menschen in Bewegung und demonstriert neue Techniken und Forschungsergebnisse.

Bisher übliche EEG-Messung (c) Stefan Debener/UOL

Die Hirnstrommessung ist ein sensibler Vorgang: Patientinnen und Patienten sind über Elektroden und Kabel mit Maschinen verbunden und dürfen sich nicht bewegen, damit die schwachen Signale des Gehirns ungestört aufgezeichnet werden können. Ein EEG war daher bisher nur unter kontrollierten Laborbedingungen möglich. Lebensnahe Untersuchungen des Menschen in Alltagssituationen waren so kaum möglich – ein Problem zum Beispiel in der Epilepsiediagnostik und in der neurokognitiven Forschung.

Mit moderner Technik: Ein Workshop über das Gehen und seine Diagnostik

Ein Workshop vom 18.-19. November 2019 am HWK befasst sich deshalb vorrangig mit dem Gang des Menschen, wie er die EEG-Signale beeinflusst und wie moderne Technik den Gang vermessen kann. In der Abteilung für Neuropsychologie der Universität Oldenburg wurden in den letzten Jahren unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Debener technische Lösungen und Analysemethoden entwickelt, die die EEG-Messung auch im Gehen, zum Beispiel mit einem Smartphone, ermöglichen.

Mobile EEG-Technik, wie sie im November am HWK demonstriert werden wird, erlaubt die Messung von Gehirnaktivität während Menschen auf natürliche Weise mit ihrer Umwelt interagieren. So sind Forschungsergebnisse und diagnostische Aussagen näher am alltäglichen Leben möglich. Mittels der Technik soll zum Beispiel die Ganganalyse von Parkinson-Patienten/-innen ermöglicht werden und die Forscher versprechen sich neue Erkenntnisse über die Rolle des Gehirns bei der Kontrolle des Gehens. So ist es ein Ziel der Forschung, auch ältere, mobilitätseingeschränkte Personen untersuchen zu können, ohne dass diese dafür bewegungslos verharren müssen.

Nah am Leben: Dialog der Disziplinen bringt Erkenntnisse

Der HWK-Workshop dokumentiert auch den Erfolg des direkten Dialogs der wissenschaftlichen Disziplinen, z.B. der Informatik, Neurologie, Sportwissenschaften oder Geriatrie, welcher ein Schwerpunktgebiet des HWK darstellt. Erst durch ihn ist eine wirklich lebensnahe Entwicklung von Technik möglich, die so neue Diagnostik- und Therapie-Möglichkeiten erschließt. Die Bündelung vieler Disziplinen ist notwendig, damit mehr Menschen in besonderen Lebenslagen technologische Unterstützung erhalten können.

Nach dem theoretischen Teil des ersten Tages mit Vorträgen aus den genannten Fachgebieten, können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am zweiten Tag in „Hands-on Sessions“ das Gelernte anwenden, Hardware-Systeme ausprobieren oder die Analyse selbst erhobener EEG-Daten diskutieren.

Große Resonanz der Fachwelt

Der Workshop hat bereits besonders viele junge Forscherinnen und Forscher aus aller Welt angezogen, die sowohl die Methoden des mobilen EEG erlernen, als auch ihre eigenen Forschungsideen im Rahmen einer Posterpräsentation vorstellen möchten. Die Resonanz der Fachwelt war so groß, dass es bereits Anfragen für Nachfolgeveranstaltungen im Jahr 2020 gibt.

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Links

Programm und Details: www.h-w-k.de/index.php

Wissenschaftlicher Kontakt

Prof. Dr. Stefan Debener, Nadine Jacobsen & Joanna Scanlon (Organisatoren), Carl von Ossietzky University Oldenburg www.uol.de/neuropsychologie/team/prof-dr-stefan-debener

Pressekontakt

Bijan Kafi
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/
Head of Communications

Hanse-Wissenschaftskolleg (Institute for Advanced Study)
Lehmkuhlenbusch 4
27753 Delmenhorst
Fon: +49 (0) 4221 9160-171
@HWK_IAS

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