Das "Handicap-Prinzip" – ein evolutionäres Szenario zur Entstehung von sozialem Vertrauen und Kooperationsbereitschaft

Prof. Dr. Eckart Voland (Gießen)

Zeit: Montag, 14. Februar 2011, 20:00 Uhr
Ort: Hanse-Wissenschaftskolleg, Lehmkuhlenbusch 4
27753 Delmenhorst

 

Kann angesichts eines Konflikts zwischen Eigeninteresse und Gemeinwohl trotzdem dauerhaft und verlässlich Vertrauen und Kooperation entstehen?

Auf diese zentrale Frage zum Verständnis der sozialen Evolution bieten Ergebnisse aus den Bereichen der Spieltheorie und experimentellen Ökonomie eine Antwort: Kooperation gelingt bei Vertrauen, und dieses kann gegebenenfalls im Zuge wiederholter strategischer Kooperationsentscheidungen auch noch zunehmen, also durch Vorerfahrung.

Flankierend hierzu gibt es eine aus den biologischen Verhaltenswissenschaften stammende Theorie, die unter dem Namen "Handicap-Prinzip" die Entstehung von Kooperation ganz ohne Hinweis auf Vorerfahrung zu erklären versucht. Evolutionsbiologen gehen davon aus, dass die Evolution nicht nur im engen Sinn nützliche Merkmale hervorbringt, sondern auch "teure Signale", eben Handicaps wie z.B. den Pfauenschwanz. 

Im Zentrum dieser Argumentation steht die Investition in kommunikative Ehrlichkeit: Der Signalsender zeigt unmissverständlich seinen Status und der Signalempfänger kann bei der Einschätzung verlässlichen Kriterien trauen – zumindest bei den Pfauen. Das Prachtgefieder des Pfauenhahns garantiert beste Gesundheit und erstklassige Gene. Das Geheimnis dieser "teuren Signale" ist, dass sie ansonsten verborgene Eigenschaften– wie z.B. die Gesundheit des Trägers – zeigen und deshalb bei der Partnerwahl eine große Rolle spielen.

In seinem Vortrag wird der Evolutionsbiologe und Philosoph  Prof. Dr. Eckart Voland auch der Frage nachgehen, ob diese ursprünglich im Bereich der sexuellen Partnerwahl evolvierte Kommunikationsform nicht auch in anderen sozialen Lebensbereichen Anwendung findet. Einiges deutet darauf hin, so Prof. Voland, dass z. B. Religionsgemeinschaften vom Handicap-Prinzip Gebrauch machen, um so  Voraussetzungen für die Entstehung von vertrauensvollen und damit auch verlässlichen Beziehungen zu schaffen.

Prof. Dr. Eckart Voland, geb. 1949 in Hann. Münden (Niedersachsen), studierte Biologie und Sozialwissenschaften an der Universität Göttingen. 1978 promovierte er zum Dr. rer. nat. mit einer Arbeit zum Sozialverhalten von Primaten. 1992 folgte die Habilitation an der  Uni Göttingen mit Arbeiten über "Historische Demografie und Soziobiologie".
Seit 1995 ist er Professor für Philosophie der Biowissenschaften an der Justus- Liebig- Universität Gießen.

Seine Forschungstätigkeit konzentriert sich insbesondere auf die Philosophie der Biowissenschaften, die Evolution sozialen Verhaltens, die Anthropologie und die Soziobiologie.

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